Gerede, Neugier und Zweideutigkeit – wie wir das „Man“ erzeugen

Nachdem wir uns im letzten Beitrag damit beschäftigt haben, was das „Man“ ist und wie es sich auswirkt, geht es in diesem Beitrag darum, wie wir das „Man“ erzeugen. Denn von alleine entsteht es nicht. Es ist unser gemeinsames Produkt.

Das Gerede

Gerede ist das Reden über etwas, ohne dass wir einen Bezug zu dem herstellen, über das geredet wird. Mit anderen Worten: Wir haben keine Ahnung, wie sich etwas zugetragen hat oder sich verhält, behaupten aber, dass wir es wüssten. Was keine Lüge ist, denn wir glauben tatsächlich, dass wir über das Beredete Bescheid wissen. Von diesem Glauben beseelt, können wir unsere Mitmenschen mit Meinungen zu jedweden Thema traktieren.

Blah…Blah…Blah | geralt@pixabay.com

Wer dabei an Tratsch denkt, liegt nicht verkehrt. Die allgegenwärtigen Medien heben den Tratsch sogar in eine neue, allen zugängliche und ständig präsente Dimension. Tratschten früher Stammtische, Hausfrauen und Friseure, gehört es heute für jedermann zum guten Ton, seine Meinung über Gott und die Welt via World Wide Web auch dem Letzten mitzuteilen.

Es lässt sich so leidenschaftlich über Politik und Politiker debattieren. Doch gerade Politiker beherrschen die Klaviatur des „Man“ professionell. Sie erzählen sehr sorgfältig nur das, was ihre Macht erhält. Politiker sind professionelle Ver-Man-scher.

So erschaffen wir uns eine Welt ohne Wirklichkeitsbezug. Kurz: Mindfuck oder vornehmer: Hyperrealität. Hyperrealität ist aber nur ein Aspekt des Geredes.

Wer sich schon mal beim Smalltalken beobachtet hat, bemerkt schnell, wie man nur spricht um zu sprechen. Das Reden fasziniert sich im Smalltalk selbst und springt so haltlos von einem Thema zum nächsten. Das einzig wichtige ist: Man muss so sprechen wie „Man“ spricht, damit der Fluss des Sprechens nicht unterbrochen wird. Dies ist der zweite Aspekt des Geredes.

Der dritte Aspekt liegt in der Sprache selbst begründet. Sprache muss um verständlich zu sein, allgemein bleiben. In der Allgemeinheit verliert sie an Bezug zu dem über das gesprochen wird.
Wenn ich „Auto“ sage, habe ich ein bestimmtes Bild im Hinterkopf. Jemand der mir zuhört, ruft ein anderes Bild in seine Vorstellung. Durch Abstraktion – Fahrzeug mit vier Rädern, Karosse und Motor – verstehen wir uns zwar in etwa, teilen aber nicht unser Erleben. Das ist für jeden anders. Doch bemerkt man es nicht. Man weiß ja, was „Man“ im Hinterkopf hat, wenn „Man“ Auto sagt.

Neugier

Wir suchen nicht das Neue, um es zu ergründen. Das Neue fasziniert uns lediglich, weil es neu ist. Es lässt uns alsbald zum noch Neueren springen. So taumeln wir im „Man“ fasziniert von einem Neuen zum nächsten. Im „Man“ nehmen wir uns keine Zeit, etwas auch nur ein wenig genauer zu erfragen oder gar zu ergründen. Wir könnten ja ins Staunen kommen, was Man lieber zu vermeiden sucht. Neugier sucht Futter für das Gerede, keine Erkenntnis.

Es gibt viele Menschen, die kreuz und quer um die Welt reisen. So haben sie viel zu erzählen. Doch was haben sie von den Kulturen verstanden, denen sie begegnet sind?

Zweideutigkeit

Alles wirkt im Gerede des „Man“ überzeugend und wird wie eigene Erfahrung kommuniziert. Doch niemand kann mehr unterscheiden, ob es sich um Fakt oder Fake handelt. Wer hinterfragt schon ständig. Dies ist die Zweideutigkeit des „Man“, dass wir nicht mehr entscheiden können, was eigenem Verstehen entsprungen ist und was nicht. Neugier fördert diese Zweideutigkeit und jede Zweideutigkeit schafft Raum für das Gerede.

Dies ist nur eine sehr knappe Zusammenfassung dessen, was Heidegger zum „Man“ zu sagen hat. Wer es in aller Ausführlichkeit genießen will, der lese „Sein und Zeit“.

Wer Heidegger mal im Original hören will:

Und noch ein schönes Beispiel für das „Man“ und die Macht der Sprache aus dem „Spiegel“

Im nächsten Beitrag wird es darum gehen, wie wir uns aus dem allgegenwärtigen „Man“ lösen können. Einfach ist das nicht. So viel sei schon mal verraten.

2 Antworten auf „Gerede, Neugier und Zweideutigkeit – wie wir das „Man“ erzeugen“

  1. Wenn ich´s richtig verstehe, ist die Funktion des man, die Verantwortung des Ich für das was es tut (denkt usw.) an der Garderobe ab zu geben. (?)

    1. Auf jeden Fall ist das eine Wirkung des Man`s. Und das macht das Man für schlichtere Gemüter sicher auch verführerisch. Verantwortung fängt an mit Infrage stellen und führt über Be-Antwortung zur Ver-Antwortung. Und das will erst einmal geleistet sein.

      Im Politiksprech, um mal ein „Man“ Beispiel vor Augen zu haben, taucht Verantwortung übernehmen häufig nur als negativ besetzt auf, wenn sich irgendwer nicht mehr rauswinden kann. Moderner ist, das nur noch gefordert wird das etwas getan wird, aber völlig unklar bleibt wer wie wann was tun soll. So lässt sich trefflich hinterher jedwede Verantwortung für ein Misslingen abstreiten.
      Wer Ohren hat zu hören der höre!

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