Was wir über das Wissen wissen.

Funken Spirale
Funken Spirale | Faizal Sugi@pixabay.com

Ich weiß nicht, wie es euch da draußen geht, bei mir ist es so, dass ich manchmal über eine Formulierung stolpere, die eine ganze Kaskade von Gedanken nach sich zieht.
Und plötzlich erscheint ein neues Muster, in dem ich viele Gedanken hineindenken kann.

Die Formulierung die das bei mir kürzlich ausgelöst hat stammt von dem Soziologen Armin Nassehi. Sie lautet schlicht: Wissen ist das, was sich bewährt hat.

Eine kleine unschuldige Formulierung mit einer Menge Sprengkraft. Klar, man könnte einwenden: „Ist ja nur ein Soziologe und er sagt damit ja auch nur aus, was Wissen im soziologischen Rahmen meint.
Doch ist das so? Oder besagt dieser Wissensbegriff nicht doch ein wenig mehr?

Mal Fleisch auf die Knochen

Versuchen wir also diesem kleinen Satz mit einem Beispiel zu veranschaulichen: Hierfür machen wir eine kleine Zeitreise zurück zu den alten Ägyptern. Dort war es üblich, jeden Tag ein Ritual zu vollziehen, damit die Sonne gut durch die Nacht kommt und am nächsten Morgen wieder aufgeht. Die Ägypter waren nicht dumm, sie hatten natürlich empirisch überprüft, ob das auch stimmt. Und siehe! Immer wenn sie das Ritual vollzogen, ging am nächsten Morgen die Sonne auf. Der Beweis war somit erbracht und so wurde dieser Zusammenhang zu ihrem Wissen. Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, das Ritual zu unterlassen. Viel zu gefährlich! Die Welt könnte untergehen und dem Chaos verfallen.

Du magst an dieser Stelle schmunzeln, doch genau das ist das Prinzip, nachdem Wissen in der Gesellschaft auch heute funktioniert. Jede Gesellschaft oder Gruppe von Menschen hat ihre „Rituale“ die sich bewährt haben und somit als gesichertes Wissen gelten. Und jede Veränderung birgt die Gefahr des Untergangs.

Um dir Beispiele zu geben:
Die überwiegende Mehrheit der Menschen „weiß“, dass es einen allmächtigen Gott gibt und richtet ihr Handeln dem entsprechend aus. Manche, die dies noch intensiver „wissen“, nehmen dafür sogar den eigenen Tod und den von anderen Menschen in Kauf. Oder sie verlangen, Sonntags in die Kirche zu gehen oder 5x am Tag nach Mekka zu beten. Sie wissen, dass dies für ihr Seelenheil wichtig ist.

Der mehr naturwissenschaftlich angehauchte Mensch „weiß“, dass nur die harten Fakten zählen und das Leben und Sterben ausschließlich den Naturgesetzen gehorcht. Ein Leben nach dem physischen Tod ist unmöglich. Arterhaltung durch Kinder ist das höchste Ziel.

Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, dass ich mit langen Haaren als gesellschaftsgefährdend galt, denn Herr und Frau Durchschnittsbürger wusste, wie man sich zu zeigen hat für ein gelungenes Leben in der Gesellschaft.

Wissen ist Segen und Fluch zugleich

Lebensschule
Lebensschule | Gerhard Gellinger@pixabay.com

Wie dem auch sei, Wissen ist in der Gesellschaft Segen und Fluch zugleich. Segen, weil die Gesellschaft etwas hat, das sie nutzen und auf dem sie aufbauen kann. Wissen ist ein Fluch, da Wissen den Blick auf Horizonte verstellt. Und je leidenschaftlicher wir von unserem Wissen überzeugt sind, umso weniger können wir Horizonte erblicken.

Da „Wissen“ für das Überleben einer Gesellschaft notwendig ist, ist es verständlich, dass Veränderung hin zu neuem Wissen nicht leicht fällt. Veränderung bedeutet immer auch Lebensgefahr für die Gesellschaft. Ob eingebildet oder nicht.

Das kannst Du z.B. in der momentanen Klimadebatte gut verfolgen. Jeder ist für Klimaschutz, aber Alles soll beim Alten bleiben, nur eben bitte klimaschützend.

In solchen Statements spiegelt sich die Angst vor Veränderung. Gesellschaftliche Systeme verändern sich meist nur durch Krisen, die sie zur Veränderung zwingen oder sie gehen unter. Solche Krisen können gesellschaftsintern sein wie z.B. das Wohlstandsgefälle, das zur französischen Revolution führte oder äußere Einflüsse haben wie z.B. der Klimawandel.

Wie sieht das nun bei uns Menschen aus?

Wissen ist das, was sich bewährt hat. Das kannst Du jetzt auch locker auf dich selber übertragen.

Alles was Du tust oder nicht tust beruht auf dem Wissen, das sich für dich bewährt hat. Du hast die Gewohnheit Morgens einen Kaffee im Bett zu trinken um in Schwung zu kommen? Es hat sich für dich eben genau so als guter Start in den Tag bewährt. Das mag sogar soweit gehen, dass es für dich unvorstellbar ist, ohne Morgenkaffee den Tag zu beginnen.

Dann hat sich dein „Wissen“ um dich und deine Möglichkeiten so verfestigt, das jeder andere Morgenstart sich nun jenseits deines möglichen Horizontes befindet.

Zu trivial für dich? Mag sein dass dir das so erscheint. Bedenke, dass all dein Verhalten auf dem beruht, was sich für dich bewährt hat. Das ist dein „Wissenskokon“, der für dich deine Welt ist. Überlässt du dich dem natürlichen Lauf der Dinge, so wird dein Kokon immer starrer und schon kleine Veränderungen werden dir lebensbedrohlich erscheinen. Falls du das nicht glaubst: Schau dir ältere Menschen an, die sich ihrem Kokon hingegeben haben…

Persönliche Veränderung fängt an dem Punkt an, an dem wir uns entscheiden, unseren Kokon in Frage zu stellen. Das nicht nur theoretisch sondern auch ganz praktisch. D. h. Indem wir unsere Gewohnheiten verändern und uns entscheiden, neues Wissen zu erschaffen und anzuwenden.

Thelema und persönliche Entwicklung beginnt an dem Punkt, an dem wir uns entschließen, die Verantwortung für unseren Kokon zu übernehmen und ihn nach unseren Willen gestalten. Hadit ist die kreative Flamme in unserem Herzen, Nuit der offene Horizont mit seinen unendlichen Möglichkeiten und Ra Hoor Khuit zeigt sich in unserem Kokon.

Bleibt für Dich zu entscheiden: Wie willst DU leben?

2 Antworten auf „Was wir über das Wissen wissen.“

  1. Wenn ich eins weiß, dann ist es, dass ich weiß, dass ich nichts weiß. Wirkliches Wissen erschließt sich uns gar nicht. Alles sind Theorien, die solange als Wissen bestand haben bis sie von einer anderen Theorie vermeintlich logisch abgelöst wird. Und das ist meiner Meinung nach auch der Sinn dahinter. Wir sollen uns als reines Bewusstsein weiter entwickeln. Wenn es die eine Wahrheit als Festpunkt gibt, warum weiter philosophieren, forschen? Dann wären wir und unsere Umwelt schlichtweg fertig gestellt und wir hätten keine Aufgabe mehr.

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