An der Sprache sollt ihr sie erkennen…

Die Sprache ist das Haus des Sein.

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So schön bringt Martin Heidegger das Thema Sprache auf den Punkt. Ich formuliere es mal weniger philosophisch: Wenn du wissen willst, wer und was Du bist, beobachte, wie Du sprichst. Indem Du sprichst, offenbarst Du dich der Welt. Zugleich kannst Du dich über diesen Weg selbst entdecken.

Und wenn die Sprache das Haus des Seins ist, veränderst Du die Welt, indem Du deine Sprache veränderst.

Ich möchte an dieser Stelle auf keine bestimmten Theorien wie Metasprache etc. eingehen, darauf komme ich in einem späteren Beitrag zu sprechen. Heute geht es mir zunächst um zwei Sprachschludereien, bei denen sich mir die Nackenhaare aufstellen.

1. Gehe in die…..

Aus eigener Erfahrung und aus denen einiger meiner Freunde habe ich den Eindruck, dass sich in Seminaren, die sich im esoterisch – alternativen Bereich bewegen, eine seltsame Formulierung verbreitet hat: Die „Gehe in die…“ Formulierung.

Für die Pünktchen kannst Du alle möglichen Arten von Gefühlen einsetzen. Gehe in die Angst. Gehe in deine Freude. Oder auch mit Betonung des Körperlichen: Gehe in deine Entspannung.

Meistens werden solche Formulierungen verwendet, wenn vom Gegenüber gewünscht wird, dass er bestimmte Gefühle zulässt, sich mit ihnen auseinander setzen soll oder beides.

Doch was bewirke ich mit einer solchen Formulierung tatsächlich?

Das genaue Gegenteil! Wie das?

Sage ich zum Beispiel: „Gehe in die Angst!“, verdingliche ich das Gefühl und nehme, da sie nun ein Ding ist, automatisch Abstand davon, was diese Angst mit mir zu tun haben könnte. Ich als Verursacher des Gefühls falle weg.

Oder: „Ich gehe in die Freude“. Ich kann also in sie hineingehen wie in ein Haus und wie ein Haus kann ich sie auch wieder verlassen. Was haben Freude oder andere Gefühle dann noch mit mir zu tun?

So wird durch eine einfache Formulierung das verhindert, was erreicht werden soll. Mich als denjenigen zu erleben, der verantwortlich für seine Gefühle ist.

Falls dir das zu theoretisch erscheint, vergegenwärtige dir den Unterschied anhand von ein paar Beispielen und Gegenbeispielen. Spüre für einen Moment in dich hinein, was die eine und was die andere Formulierung bei Dir auslöst:

Gehe in die Angst | Lass zu, dass Du dich ängstigt.

Gehe in deine Freude | Freue dich. Oder auch: Lache aus ganzem Herzen!

Gehe in deine Entspannung | Entspanne dich! Oder auch: Lass locker!

Gehe in den Ärger | Ärgere dich.

Gehe in deine Wut | Werde (jetzt einmal richtig) wütend.

Und ist dir ein Unterschied aufgefallen? Ja? Prima. Dann können wir uns jetzt der nächsten Sprachunart widmen.

2. Man….

Man, ein kleines unschuldiges Wort in der deutschen Sprache, das doch häufig dazu verwendet wird, sich zu verstecken. Das Wörtchen „man“ zu verwenden ist ein gut abgesicherter Weg, nicht darüber nachdenken zu müssen, ob das was Du denkst, fühlst oder tust, etwas ist, das Du selbst verantworten willst.

Unterschied | SplitShire@pixabay.com

Das unpersönliche „man“ ist die Wort gewordene Verantwortungslosigkeit für das eigene Erleben und Handeln.

Ausgenommen es geht um unpersönliche Allgemeinplätze, dann ist „man“ passend.

Beispiele gefällig?

„Man ist natürlich enttäuscht, wenn man so ein Spiel verliert.“ (Fußballer im Interview nach einem verlorenen Spiel.)

„Man fühlt sich ja etwas angespannt in der heutigen Zeit.“ (Kürzlich eine Frau beim Bäcker, woraufhin die Verkäuferin verstehend nickte.)

„Man setzt sich nicht auf den Boden!“ (Mutter zu ihrem kleinen Kind, das keine Lust mehr hat, herum zu laufen.)

Das kleine „Bannritual“ für solche Formulierungen ist recht simpel: Frage im Zweifelsfall, wer da gerade mit „man“ gemeint ist. Was verändert sich, wenn nicht „man“, sondern „Ich“ enttäuscht bin über ein verlorenes Fußballspiel?

Wie immer in solchen Fällen: Erprobe solche Fragen am besten erst mal bei dir selbst. Die Wirkung kann spannend sein, grade wenn Du dieses Wörtchen häufig verwendest. So eroberst Du dir ein Stück Selbstverantwortung zurück.

Ich formuliere die Beispiele von oben noch mal mit „Ich“, um dir zu zeigen, wie „Ich“ statt „man“ zum Weiterfragen und zum sich selbst in den Spiegel sehen – einladen kann.

Ich bin enttäuscht, dass wir das Spiel verloren haben,
denn ich hatte mir ausgerechnet, dass …
denn ich habe perfekt gespielt, aber …
denn wir waren super, nur der Schiedsrichter …

Ich fühle mich in der heutigen Zeit angespannt,
weil ich ganz anders aufgewachsen bin.
weil ich keine Freunde mehr habe.
weil so viele LKWs auf der Straße fahren.

Ich will nicht, dass Du dich auf den Boden setzt,
weil ich dann deine Sachen …
denn der Boden ist kalt und …
weil die anderen Kinder das auch nicht machen und ….

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