Von der Freiheit zum Willen

In diesem Artikel möchte ich mich einem Begriff zuwenden, zudem fast jeder Mensch einen positiven Bezug hat: Freiheit.

Frei wovon?

freiheit
Himmel, Freiheit, Glück | Fotorech@pixabay.com

Mit dem Ruf nach Freiheit wurde die Bastille in Paris gestürmt und die Berliner Mauer eingerissen. Freiheit fordert der westliche Politiker, wenn er es mit Autokraten wie Erdogan, Orban oder Putin zu tun hat. Nicht zu vergessen der Geruch der Freiheit einer Marlboro Zigarette oder der Tragekomfort einer Care Free. Die Liste ließe sich beliebig verlängern, sicher fallen dir jede Menge Beispiele ein.

Was bei diesen doch sehr verschiedenen Verwendungen des Wortes Freiheit auffällt ist, dass sie eines gemeinsam haben: Es ist das Verlangen, von etwas frei zu sein. Frei vom Zwang eines autoritären Regimes, des Alltagsdrucks oder einer einzwängenden Binde.

Man könnte meinen, dass der Begriff der Freiheit auch für Thelemiten ein zentrales Thema ist. Schließlich geht es uns um die Befreiung des Menschen aus seinen Zwängen und von seiner Sterblichkeit. Wer das Liber L kennt, dem ist sicher aufgefallen, dass Freiheit nicht ein einziges mal in diesem wichtigsten Buch von Thelemiten auftaucht. Ein Widerspruch? Ist Freiheit dem Liber L so selbstverständlich, dass es nicht weiter erwähnt werden muss?

Bleiben wir noch bei unseren obigen Beispielen und machen wir ein kleines Gedankenexperiment:

Was wäre, wenn diese „Freiheit von“ das Ziel der eigenen Entwicklung wäre? Du befreist dich von allen Zwängen, allen Unstimmigkeiten, allen Unterschieden, allen Bewertungen, dem Ego und überhaupt von allem, von dem du dich befreien möchtest. Was würde passieren? Was wäre das Ergebnis?

Versuch dich in diesen Zustand hinein zu versetzen. Jeder Zwang fällt von dir ab. Es gibt kein Ziel mehr, was erreicht werden will. Du bist weder satt noch hungrig, weder magst Du etwas noch lehnst Du etwas ab….

Letztlich würdest Du in einem Zustand des Nihilismus aufgehen. Und das bedeutet nichts anderes dass Du dich auflöst und stirbst.
Denkst Du dabei an das Nirwana der Buddhisten? Dann liegst Du nicht verkehrt.

Dies kann für das lebensbejahende Liber L kein erstrebenswerte Ziel sein. Doch was dann?
Hören wir hierzu das Liber L selbst:

Nuit 42: Der Zustand der Vielfältigkeit soll Gebundenheit und Ekel sein; so mit all deinem; du hast kein Recht als deinen Willen zu tun.

Hier stellt das Liber L der Gebundenheit durch Vielfältigkeit, also der Unfreiheit, den eigenen Willen gegenüber. Den eigene Willen kannst Du an dieser Stelle auch als „Freiheit zu etwas“ übersetzen. Und das ist ein Unterschied zu „Freiheit von etwas“, der einen großen Unterschied macht.

Frei wozu?

Wer sich traut die Frage: Wozu will ich frei sein? zu stellen, der fragt sich in letzter Konsequenz nach dem was der Sinn seines Lebens sein soll. Oder kurz nach seinen eigenen Willen. Da schwingt schon eine ganz andere Verantwortlichkeit mit als bei der Frage wovon will ich frei sein.

Wer nur danach fragt: Wovon will ich frei sein? Den führt die Frage nach Freiheit zu Nihilismus und Beliebigkeit.
Wer danach fragt: Wozu will ich frei sein? Den führt die Frage zum eigenen Sinn des Lebens.

Einen Unterschied will ich bei der Frage: Wozu will ich frei sein? Dir noch zeigen und so die Frage beantworten, warum im Liber L Freiheit nicht auftaucht:

Denken
Denken | PPPSDavid@pixabay.com

Wenn Du dich fragst „Wozu will ich frei sein?“ und dir kommt die Idee, dass Du unbedingt zeichnen lernen willst, wirst du alles tun, was nötig ist, um dein Ziel zu erreichen. Vielleicht verändert sich dein Wunsch zu zeichnen irgendwann oder auch nicht. Es wird dich, bleibt es bei diesem einen Wozu, nicht zur Gänze erfassen. Zeichnen betrifft nur einen Teil von dir, der auch anders sein könnte.

Fragst Du „Wozu will ich frei sein?“ und fragst damit nach deinem Willen, dann sieht die Antwort schon anders aus. Du fragst nach dem, was dich existentiell ausmacht. Dein Wille ist nicht austauschbar, er ist einmalig wie Du.

 

Und: Wenn Du eine Antwort auf die Frage nach deinem Willen gefunden hast – bist Du dann frei?
Ja und nein, denn Du bist im höchsten Maße gebunden. An dich selbst, an deinen Willen. Und nur Du selbst kannst dich so binden. Freiwillig. 🙂

Im eigenen Willen fallen stärkste Bindung und größte Freiheit zusammen. So ist es vom Liber L nur konsequent, von Willen und nicht von Freiheit zu sprechen.

Eine Antwort auf „Von der Freiheit zum Willen“

  1. Hi Tom;

    ja, sich selbst zu binden, ist heftig. Und schwer absehbar, da ohne 1: 1 Vorbild.
    Aber nur wenn Du es schaffst – kannst Du dich lösen von all den Zwängen, die dich einengen oder sogar quälen.
    Äußere Zwängen, innere Zwängen, soziale, psychische, biologische usw.
    Schritt für Schritt übrigens.
    Denn auch wenn es auch kleine Lichtsprünge geben mag: Wille ist eher weniger von Null auf Hundert plötzlich da.

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